Freitag, 31. Januar 2025: In Berlin versucht CDU-Kanzlerkandidat Merz gemeinsam mit der AfD gegen den heftigen Widerstand von SPD, Grünen und Linken sein „Zustrombegrenzungsgesetz“ beschließen zu lassen. Gleichzeitig blicken die Mitglieder der „Rödelheimer Runde“ sorgenvoll auf die Uhr. Schaffen es die drei Bundestagsabgeordneten Armand Zorn (SPD), Deborah Düring (Grüne) und Janine Wissler (Linke), noch rechtzeitig um 19 Uhr zur Diskussion ins Vereinringhaus zu kommen? Um 11.30 Uhr erreicht uns die Nachricht, dass sie vermutlich erst um 20 Uhr eintreffen werden. 14 Uhr: In Berlin wird weiter diskutiert; es steht fest, die Rödelheimer Runde muss ohne diese drei Kandidaten stattfinden. Dennoch, und vor allem wegen der dankenswerten Unterstützung der Berliner Abgeordneten, kann um 19 Uhr mit fünf kompetenten Politikern die Suche nach der „Wahrheit vor der Wahl“ beginnen! Neben den eingeladenen Direktkandidaten Yannick Schwander (CDU) und Frank Maiwald (FDP) werden Sylvia Kunze (Stadtverordnete, SPD), Miriam Dahlke (Landtagsabgeordnete, Grüne) und Michael Müller (Direktkandidat WK 182, Linke) im überfüllten Vereinsringhaus von 150 Gästen und unserem langjährigen Moderator Stephan Hebel (Frankfurter Rundschau, Autor) begrüßt.
Natürlich beschäftigt die Dramatik in Berlin auch die Menschen in Rödelheim. „Nicht reparabler Schaden für die Demokratie“ (Müller), das „Öffnen der Büchse der Pandora“ (Dahlke), „Entsetzen, dass Rechtspopulisten die Gesprächsthemen bestimmen“ (Kunze), aber auch „Menschen, die AfD wählen, abholen und ihre Probleme ernst nehmen“ (Maiwald) sowie „eigene Anträge müssen in einer Demokratie möglich sein“ (Schwander) zeigten die grundsätzlichen Gegensätze beim Thema AfD und Migration zwischen den Parteien auf.
Entspannt und mit Humor gelang es Stephan Hebel, gekonnt und souverän durch die Diskussion zu führen. So lenkte er die Diskussion auf ein weiteres wichtiges Thema: Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit. Während für Schwander die Schuldenbremse nur eine Scheindebatte ist („man kann trotzdem investieren“), plädieren SPD, Grüne und Linke für Änderungen im Steuersystem: Mehrbelastung für die reichen 5% bei Entlastung der Mehrheit von 95% (SPD), Vermögensabgabe und Erbschaftssteuer (Linke, Grüne). Maiwald (FDP) wünscht sich, dass durch gute Bildung und „mehr Netto vom Brutto“ jeder irgendwann „Wohneigentum haben sollte“.
Natürlich sind alle für Klimaschutz! Der Ausbau des ÖPNV und der erneuerbaren Energien ist unstrittig. Über die Wege herrscht aber Uneinigkeit: Soll dies über Tempo 120 oder 130 auf Autobahnen, Beibehaltung des 49-Euro-Tickets oder Umstieg auf E-Mobilität (SPD, Grüne, Linke) geschehen? Oder ist „individuelle Mobilität ein Freiheitsgebot“ (Schwander)? Soll der Markt die ökologische Transformation regeln (Maiwald)? Den Wählern wurden alle bekannten Vorschläge geboten, Klimawandelleugner sind unter den demokratischen Parteien nicht zu finden!
Welche Rezepte haben die Kandidaten zur Beendigung des Krieges in der Ukraine? Damit die Ukraine selbstbestimmt in Verhandlungen gehen kann, fordern fast alle, sie mit Waffen zu unterstützen; die CDU will sogar das umstrittene Taurus-System liefern. Ausnahme ist die Linke, für die der Krieg nicht militärisch zu gewinnen ist. Deshalb fordert Müller Verhandlungen für einen Waffenstillstand. Kunze fragt sich, wie lange das Bündnis der Ukraine-Unterstützer noch halten wird angesichts der wachsenden Zahl an Autokraten in dieser Welt.
Im Anschluss an diese Kandidatenbefragung hatten zahlreiche Besucher Gelegenheit, mit ihren Kommentaren und Fragen an die Politiker die Themen zu vertiefen. Nach zwei Stunden beendete Stephan Hebel die spannende, kontroverse aber immer friedliche Diskussion. Inwieweit die zahlreichen Gäste wirklich „die Wahrheit vor der Wahl“ erfahren haben, wird sich erst in einigen Monaten herausstellen. Die Veranstalter der „Rödelheimer Runde“ würden sich freuen, zu gegebener Zeit unsere künftigen Bundestagsabgeordneten zur „Wahrheit nach der Wahl“ erneut im Vereinsringhaus Rödelheim empfangen zu können.